Nicht nur in Venezuela, auch in anderen Ländern Südamerikas wird immer mehr Wert auf eine klassische Musikausbildung gelegt. Bestes Beispiel hierfür ist die Filarmónica Joven de Colombia, die aus etwa 100 Mitgliedern zwischen 17 und 24 Jahren besteht. Gegründet 2010 und finanziert aus Stiftungsgeldern, hat sie sich binnen kürzester Zeit zu einem Exportschlager entwickelt. Mehrfach ging das Ensemble auf Europa- und USA-Tournee und spielte dabei mit Grössen wie Joshua Bell, Rolando Villazón oder den Labèques. Künstlerischer Leiter ist Andrés Orozco-Estrada, eine enge Zusammenarbeit besteht mit dem Mahler Chamber Orchestra, den Wiener Philharmonikern sowie mit der Musikhochschule Madrid. Und natürlich ist die Filarmónica Joven regelmässig im eigenen Land unterwegs, um mehr junge Menschen an klassische Musik heranzuführen. SCHLIESSEN
In Medellín (Kolumbien) geboren, begann Andrés Orozco-Estrada seine musikalische Ausbildung mit dem Violinspiel. Als 15-Jähriger erhielt er seinen ersten Dirigierunterricht. 1997 wurde er an der renommierten Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (mdw) in die Dirigierklasse von Uroš Lajovic aufgenommen, einem Schüler des legendären Hans Swarowsky. Seit der Saison 23/24 ist er Chefdirigent des Orchestra Sinfonica Nazionale della Rai, zuvor hatte er Chefpositionen u.a. beim Houston Symphony, hr Sinfonierochester sowie den Wiener Symphonikern inne. Zudem übernimmt er 25/26 die GMD-Position der Oper Köln. Im September feierte er sein Debüt an der Mailänder Scala mit Mozarts «Le Nozze di Figaro», im November wird er beim New York Philharmonic debütieren. Seit Oktober 2022 ist Orozco-Estrada als Professor für Orchesterdirigieren an der mdw tätig. SCHLIESSEN
Unter den bedeutendsten Geigerinnen der Gegenwart hat sie einen Platz sicher: Hilary Hahn. Schon früh legte die US-Amerikanerin eine atemberaubende Karriere hin: erster Auftritt mit Profis als 12-Jährige, Europa-Debüt mit 14, Carnegie Hall mit 16. Für ihren CD-Einstieg wagte sie sich an Bachs Solosonaten — und gewann prompt einen Diapason d’Or. Zahlreiche weitere Preise folgten, und das für so unterschiedliche Werke wie Bernsteins Serenade, das Sibelius- Konzert oder Filmmusik. Überhaupt ist Hahns interpretatorische Bandbreite beachtlich; sie spielt mit Rockbands, widmet sich dem barocken Repertoire, hebt aber auch neue Musik aus der Taufe, etwa die Violinkonzerte von Edgar Meyer und Jennifer Higdon. Gleichzeitig versucht sie, kulturelle Grenzen zu überwinden, indem sie Gratiskonzerte für Kleinkinder und Studierende gibt. SCHLIESSEN
Mendelssohns e-Moll-Konzert, eines der beliebtesten Solokonzerte der Romantik überhaupt, hat bis heute nichts von seiner Frische verloren. Mit seiner überschäumenden Brillanz und thematischen Fülle wirkt es wie spontan erfunden. Gleichzeitig überlässt der Komponist nichts dem Zufall: Schon der überfallartige Beginn signalisiert, dass das Verhältnis von Solist und Orchester hier neu ausgelotet wird. Die einzelnen Sätze sind durch Überleitungen miteinander verbunden, und so mancher Formteil findet sich an ungewohnter Stelle wieder — eine regelrechte Verjüngungskur für die Gattung Violinkonzert!
SCHLIESSENSchostakowitschs 5. Sinfonie gilt als Paradebeispiel für das verhängnisvolle Wechselspiel von Politik und Kunst. 1936 auf Anweisung Stalins öffentlich gebrandmarkt, musste der Star der sowjetischen Musikszene seine 4. Sinfonie zurückziehen und mit dem Folgewerk eine «schöpferische Antwort» auf die Kritik vorlegen. Aber was ist das für eine Antwort? Eine doppelbödige: Musik, die sich Zustimmung und Jubel unter Schmerzen abringt, die das Verstummen, die Klage, die Vereinsamung thematisiert. In der Fünften gelang Schostakowitsch nichts weniger, als eine neue, chiffrierte Sprache für die Nöte in diktatorischen Zeiten zu finden.
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