Dmitri Schostakowitschs 5. Sinfonie zählt zu den spannendsten, aber auch bedrückendsten Werken der jüngeren Musikgeschichte. Nach einem Besuch der Oper «Lady Macbeth von Mzensk» hatte Stalin dem gefeierten Komponisten vorgeworfen, er produziere «Chaos statt Musik» – in den 1930er-Jahren ein vernichtendes Urteil. Seither musste Schostakowitsch mit dem Schlimmsten rechnen: Seine Schwester war deportiert, gute Freunde ermordet worden. In dieser Atmosphäre entstand seine neue Sinfonie, als «schöpferische Antwort auf berechtigte Kritik».
Was klingt wie ein Kotau vor der Macht, ist in Wahrheit ein ebenso raffiniertes wie verzweifeltes Versteckspiel. An der Oberfläche erfüllt die Fünfte genau, was die sowjetische Kulturbürokratie von ihr erwartete: Sie ist klassisch viersätzig, weitgehend melodisch, wie bei Beethoven schlägt düsteres Moll am Ende in Dur um, die Schlusstakte wirken geradezu monumental. Aber wiegt dieser «positive» Schluss die vielen Schmerzensäusserungen und Klagegesten der vorherigen Sätze auf? Warum ist das Scherzo, eine grobe Zitatcollage, so brachial fröhlich? Und warum gestaltet Schostakowitsch immer wieder Momente, in denen die Musik auf der Stelle tritt, mal als unwirklicher Sphärenklang, mal als kollektiver Schrei? Unter diesen Voraussetzungen klingt das triumphale Ende der Sinfonie nicht befreit, sondern erzwungen; es ist nicht Ziel der Entwicklung, sondern von oben aufoktroyiert. Eine kompositorische Doppelstrategie also, die ihren Schöpfer rehabilitierte – vorerst wenigstens.