Kaum zu glauben, aber eines der beliebtesten Violinkonzerte der Musikgeschichte, das Ludwig van Beethovens, schlief zu Lebzeiten seines Schöpfers einen Dornröschenschlaf. Nach der halbwegs erfolgreichen Uraufführung Ende 1806 durch den Wiener Geiger Franz Clement, einen Freund Beethovens, wurde es über viele Jahre hinweg kaum noch gespielt. Erst Mendelssohn und der junge Violinvirtuose Joseph Joachim verhalfen dem Werk 1844 in London zur Rückkehr auf die Konzertbühne.
Warum diese sträfliche Missachtung? Zum einen verweigert Beethoven seinem Solisten allen vordergründigen Glanz – ein Schicksal, das op. 61 mit den Violinkonzerten Schumanns und Brahms’ teilt. Zum anderen ist das Stück gestaltet wie eine Sinfonie: Nicht die Themen selbst sind das Entscheidende, sondern ihr Potenzial, also das, was sich aus ihnen machen lässt. Solist und Orchester tragen Melodien vor, die aus den einfachsten Bausteinen zusammengesetzt sind, fast ausschliesslich Tonleitern und Dreiklänge. Und so verlagert sich die Aufmerksamkeit auf den Prozess, auf das Spiel der musikalischen Kräfte.
Und welche Kräfte sind das hier? Eben nicht nur Solist und Orchester, die einander die Bälle zuwerfen. Sondern auch Rhythmus und Melodie: Das Konzert beginnt mit vier einsamen Paukenschlägen, beantwortet von Holzbläsergesang. Und weil die Streicher erst danach in Erscheinung treten, geht es auch um den Gegensatz der Klangfarben. Selbst im burschikosen Finale kommt es zu solchen Überraschungen, wenn der Solist mit einzelnen Instrumentengruppen (den Bässen, den Geigen, den Hörnern usw.) dialogisiert, als wäre das Ganze ein Stück Kammermusik.