Giuseppe Verdis musikalische Totenmesse
gehört zu den ganz grossen kirchenmusikalischen
Werken, die im 19. Jahrhundert im Nachgang
zu Beethovens «Missa solemnis» eher für
den Konzertsaal denn für die Kirche entstanden
und Sinnbild für die während der Romantik sich
ausbreitende säkularisierte Religiosität sind.
Auch Giuseppe Verdi war nicht streng gläubig
im Sinne der katholischen Kirche und hatte bis
dahin, abgesehen von einem Tantum ergo in
ganz frühen Jahren, kein kirchenmusikalisches
Werk komponiert. Er setzte sich dennoch intensiv
mit der Glaubensfrage auseinander. Grundsätzlich
eher Agnostiker besuchte er gegen Ende
seines Lebens vermehrt die Messe und liess in
seinem Altersheim für Musiker in Mailand wie
auch auf seinem Gut Sant’Agata Kapellen
bauen. In einigen Opern Verdis gibt es kirchliche
Szenen. Äusserer Anlass zur Komposition
eines eigentlichen kirchenmusikalischen Werkes
war der Tod Gioacchino Rossinis 1868. Für
die Gedächtnisveranstaltung
zum Jahrestag
des Hinschieds Rossinis in Bologna schlug Verdi
vor, eine Totenmesse aufzuführen, zu der die
bedeutendsten italienischen Komponisten seiner
Zeit je einen Satz beisteuern sollten. Verdi
selber übernahm den Schluss, das «Libera me».
Zu einer Aufführung dieses Pasticcio-Werkes
kam es jedoch wegen organisatorischer Turbulenzen
nicht, und die Partitur verschwand im Ricordi-Archiv. Erst 1988 wurde das Werk ausgegraben
und von der Stuttgarter Bachakademie
unter Helmut Rilling schliesslich doch noch
uraufgeführt. Der Tod des von Verdi hochgeschätzten
Dichters Alessandro Manzoni 1873
veranlasste schliesslich Verdi, die ganze Totenmesse
zu vertonen. Die Uraufführung in der
Kirche San Marco in Mailand am 22. Mai 1874
war ein Ereignis von nationaler Bedeutung.
Verdis Kirchenmusik beeindruckte durch ihre
opernhafte Grösse und Dramatik (besonders im
«Dies irae»). Andere wieder, die Kirchenmusik
als eher intime Musik verstehen, waren befremdet,
wie Hans von Bülow, der im Requiem eine
«Oper im Kirchengewande» sah.