Als der Kritiker Louis Ehlert 1878 die «Klänge aus Mähren» von Antonín Dvořák zu Gesicht bekam, geriet er ins Schwärmen: «Eine himmlische Natürlichkeit fluthet durch diese Musik, daher sie ganz populär ist.» Nun, populär wurden in erster Linie diejenigen Werke Dvořáks, die mit nationalen Tonfällen spielen: die Slawischen Tänze, das Dumky-Trio, die Streicherserenade und die 8. Sinfonie (1889). Freilich wäre es fatal, Dvořák auf das Klischee vom «böhmischen Musikanten» zu reduzieren.
Das tschechische Kolorit der Sinfonie zum Beispiel ist eines aus zweiter Hand: Vom melancholischen Beginn über den vexierbildartigen zweiten Satz bis zum überschäumenden Finale wählt Dvořák keine originalen Volksmelodien, sondern ahmt diese in Tonfall und Struktur nach. Im Scherzo unterläuft er sogar die Hörerwartungen, indem statt eines rustikalen Volkstanzes ein wehmütiger Walzer erklingt; erst ganz zuletzt blitzt kurz ein echtes Volkslied auf, allerdings versteckt in Oboen und Fagotten.
Dvořák war also keineswegs der «Bauchmusiker», als der er vielen galt, sondern ein Künstler, der solche Folklorismen gezielt einsetzte. Auch die vielfältigen Abweichungen vom klassischen Formenarsenal in der Achten sind Ergebnis bewusster Planung: Im ersten Satz wird die Überfülle melodischer Einfälle durch das genau austarierte Verhältnis von Dur- und Moll-Passagen aufgefangen. Und im Finale durchdringen sich so unterschiedliche Formkonzepte wie Rondo, Sonatensatz und Variationenzyklus, bevor die Wiederkehr der einleitenden Trompetenfanfare das Geschehen rundet.